Von der Saalenixe

Vor vielen, vielen Jahren führte die Saalenixe ein herrliches, freies Leben. Sie Spielte mit ihren Gefährtinnen und Gefährten im Wasser, führte in Vollmondnächten lustige Reigen auf und durfte in jedem Monat einmal ans Land gehen, um das Leben der Menschen kennenzulernen. Aber anzusprechen oder gar in näheren Verkehr mit ihnen zu treten war ihr nicht erlaubt. Es ging auch lange Zeit alles gut. Die kleinen Nixen blieben stets zusammen und tanzten auf mondbeschienenen Wiesen ihre lustigen, lustigen Tänze. An diesen Stellen wuchsen dann am andern Morgen schöne Pilze im Kreise und die Menschen nannten solche Kreise Elfenringe.

Als nun einst die Nixchen in einer warmen Juninacht wieder einmal nach einem hübschen Platz für ihre Spiele suchten, hörten sie plötzlich wunderbare schöne Töne, wie sie solche noch nie vernommen hatten. Neugierig schlüpften sie nach der Stelle, von wo der fremde Klang kam, und sahen unter einer hohen Erle einen Menschen sitzen, der ein wunderbar geformtes Stück Holz unter dem Kinn hielt, mit einer schlanken Gerte darüberstrich und so ein Tönen und Klingen hervorzauberte, das die Herzen erzittern, die Augen weinen machte. Lange horchten sie wieder angehaltenen Atems; jedoch die Stunde schlug, da sie wieder hinab mußten in die Flut. Sie eilten davon und vergaßen bald den fremden Menschen. Nur eine war unter ihnen, die konnte das Klingen und Singen des wunderbaren Holzes nicht vergessen. Jeden Abend stieg sie bis zur Oberfläche des Wassers empor und hörte jedesmal das Spiel. Als nun wieder einmal der freie Tag kam, trennte sie sich von ihren Gespielinnen und suchte den fremden Menschen auf. Sie fand ihn bald, denn sein Spiel verriet ihn. Unsichtbar ließ sie sich neben ihm nieder; aber die Klänge der Geige waren so voller Liebe und Sehnsucht, daß sie laut aufseufzen mußte. Erstaunt hielt der Spieler inne, faße un willkürlich nach der Gegend, aus der das Seufzen gekommen war, der Zufall wollte es, daß er dabei dem Nixchen die Schilfkrone, welche sie unsichtbar machte, abstreifte, und plötzlich sah er neben sich ein holdselig Mägdlein sitzen, daß ihn verschämt und ängstlich ansah. Nachdem der Geigenspieler sich von seinem Erstaunen erholt hatte, forschte er, wer sie wäre, wo sie wohne. Sie gab rechtschaffen Antwort und bat ihn, weiterzuspielen. Das wollte jener auch, wenn sie verspräche, wiederzukommen. Als er das Versprechen empfangen hatte, fuhr er fort zu spielen, so schön, wie er bisher noch nie gespielt hatte.

Die kleine Nixe ward immer bezauberter und als er sie bat, bei ihm zu bleiben und seine Frau zu werden, willigte sie mit Freuden ein. Da nun um ein Uhr die Gespielinnen heimkehrten, fehlte sie. Zwar zog ein heftiges Gewitter auf, sie zu rufen, aber sie war voll freudiger Liebe, hörte nicht den Warnungsruf, sondern gab sich ganz dem nie geahnten rausch der ersten Liebe hin. Doch nicht lange dauerte die Freude. Als die beiden Glücklichen in die Stadt gehen wollten, wo er wohnte und am Fluß entlanggingen, langte plötzlich ein langer, naßer Arm aus der Saale, fuhr zwischen die beiden, riß sie auseinander und während der Mensch halb betäubt ins Gebüsch flog, verschwand die Nixe mit einem leisen Wehlaut in der Flut. Hier an dieser Stelle muß sie nun allein, getrennt von allen Gespielen leben, kann nie das Wasser verlassen und hofft, daß ihr Geliebter sie erlösen werde. Aber wohl vergebens. Denn er, der sie jahrelang vergebens gesucht hat, ist schon lange an gebrochenem Herzen gestorben.

Quelle:
Bad Kösen – Heimatliche Geschichtsbilder, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Bad Kösen 1930